Mythen und Fakten: Krafttraining für Frauen

Mythen und Fakten: Krafttraining für Frauen

Immer noch beobachte ich, dass Krafttraining bei Frauen einen schlechten Ruf hat. Die Wichtigkeit von kräftiger Muskulatur für Beweglichkeit und Stabilität aber auch die positiven Effekte auf Fettverbrennung scheinen noch immer nicht bekannt zu sein. Als Hauptgründe für die Bedenken höre ich oft Ängste zu „männlich“ zu wirken und massiv an Gewicht zuzulegen. Unbegründete Ängste, wie ich Dir im folgenden Beitrag beweisen werde.

Außerdem bekommst Du wichtige Hinweise zur Trainingsplanung und praktische Tipps für die richtige Umsetzung. Bitte passe Dein Training mit professioneller Begleitung an Deine körperliche Voraussetzungen und jeweilige Sportart an.

Die positiven Auswirkungen des Krafttrainings für Frauen

Vor allem bei Frauen hat das Krafttraining ganz viele verschiedene positive Wirkungen. Diese beziehen sich auf die Leistungsfähigkeit und auf die Gesundheit.

Vor allem die folgenden Punkte sind herauszustellen:

  • Leistungsfähigkeit wird verbessert im Sport und Alltag
  • Starke Bänder und Sehnen vermeiden Verletzungen
  • Knochendichte wird durch Mineralisierung verbessert 
  • Mobilität, Beweglichkeit wird mit zunehmenden Alter besonders wichtig
  • Verringern des Fettanteils durch gesteigerten Energieverbrauch
  • Erhöhen der aktiven Körpermasse, repräsentiert die Muskelmasse (Magermasse)
  • Kalorienverbrauch im Ruhezustand erhöht sich
  • Positive Auswirkungen auf wichtige Gesundheitsparameter wie z.B. Blutdruck
  • Steigerung des Selbstwertgefühls und des Selbstbewußtseins

Der kleine große Unterschied beim Krafttraining für Frauen

Die Muskelgröße und die damit verbundene Maximalkraft ist der größte Unterschied bezogen auf das Krafttraining zwischen Frauen und Männern. Zwischen dem Muskelvolumen und der lokalen Muskelausdauer besteht ein direkter Zusammenhang. Das gilt dann genauso für die maximale Kraftentfaltung. Frauen weisen innerhalb einzelner Muskeln eine geringere Anzahl an Muskelfasern auf, was zur Folge hat, dass es eine direkte Auswirkung auf die Kraftentwicklung hat.

Ein weiterer physiologischer Faktor ist, dass die Muskelfasern von Frauen im Querschnitt eine geringere Fläche einnehmen. Umso wichtiger ist es zu verstehen, dass Du das Krafttraining gezielt einsetzt, um Deine Leistungsentwicklung weiter positiv gestalten zu können. Durch das Krafttraining mit hohen Gewichten hast Du die Chance, möglichst alle Muskelfasern zu aktivieren. Dieses Aktivieren bietet Dir die Möglichkeit, durch die neuronale Anpassung eine maximale Kraftentfaltung entwickeln zu können.

Mit anderen Worten: Der Körper vollzieht neuronale und/oder muskuläre Anpassungen. Die Anpassungen finden spinal (im Rückenmark) und supraspinal (im Gehirn) statt. Mehr Kraft entsteht einerseits, dass das neuromuskuläre System die Muskeln mit mehr „Dynamik“ in Betrieb nimmt, andererseits, dass die Muskelfaserquerschnitte sich vergrößern.

Du bewirkst damit, dass die Größenzunahme eines quergestreiften Muskels als kompensatorische Reaktion auf eine erhöhte Belastung (z.B. gezieltes Muskeltraining) zunimmt. Im Vergleich zu Männern sollte dieses Training deshalb ein größerer zeitlicher Umfang eingeräumt werden.

Unbegründete Ängste vor Muskelbergen

Die Bedenken, durch Krafttraining sich Muskeln wie einst Arnold Schwarzener anzutrainieren, sind völlig unbegründet. Rein anatomisch ist das nicht zu realisieren, außerdem müsstest Du derart oft und intensiv trainieren, dass Du defakto Deinen Job aufgeben kannst.

Die geringeren Konzentrationen des Hormons wie Testosteron erschweren es, Muskelwachstum bei Frauen in großem Umfang hervorzurufen. Wenn der Muskelmasseanteil durch intensives Krafttraining bei Dir zunimmt, sind die Zuwächse trotzdem viel geringer als bei einem Mann. Vorteilhaft ist es für Dich trotzdem, dass bei Dir als Frau mit steigenden Muskelanteilen die fettfreie Masse (Magermasse) zunimmt, während Deine Fettanteile sukzessive abgebaut werden. Die aktive Körpermasse erhöht sich und mit ihr der Kalorienverbrauch im Ruhezustand!

Physiologischen Unterschiede beschränken sich auf Kleinigkeiten

Grundsätzlich können Frauen mit denselben Umfängen und Intensitäten Krafttraining durchführen wie Männer. Einige Faktoren, sind trotzdem bei der Trainingsplanung zu berücksichtigen.

Der wichtigste Faktor, den ich immer wieder entkräften muss: Angst vor ungehemmtem Muskelwachstum. Fakt ist: Ohne die Einnahme von Testosteron ist kaum nennenswerte Massezunahme zu erwarten.

Kleine physiologische Unterschiede gibt es nur im Verhältnis der Muskelfasern. 75 % der Frauen haben größere Anteile an dunklen (roten) Muskelfasern (ST-Fasern). Diese sprechen auf Reize langsamer an, haben dabei eine längere Kontraktionszeit und ermüden sehr viel langsamer als helle (weiße) Muskelfasern (FT-Faser). Diese wiederum reagieren sehr schnell und ermöglichen kräftige Kontraktionen, aber ermüden schnell.25 % der Frauen sind bereits in Kraft- oder Schnellkraftsportarten aktiv. Für diesen geringen Anteil spricht, dass Frauen im Alltag kaum Kraftbelastungen durchführen oder ausgesetzt sind. Im Bereich der untrainierten Männer findet sich eine wesentlich höhere Verteilung der Faseranteile. Für die Faserverteilung spricht auch, dass bei Frauen in Ausdauersportarten mit dem Schwerpunkt Hypertrophie in den Krafttrainingsphasen der Aufbau dieser FT-Fasern länger dauern als bei Männern.

Vor allem von der Zunahme des Muskelquerschnitts – sie gewinnen an Volumen, ohne dass neue Zellen gebildet werden – profitierst Du in hohem Maße, weil gleichzeitig Dein Fett reduziert werden kann.

Geschlechtsunterschiede in Leistungsfähigkeit und Hormonkonzentration

Größe und Anzahl der Muskelfasern machen sich in den absoluten Kraftunterschieden zwischen Mann und Frau bemerkbar. Die mittlere Gesamtkörperkraft einer Frau beträgt rund 60 Prozent jener eines durchschnittlichen Mannes (Ergebnisstudie Zatsiorky & Kremer; Vergleich breiter Gruppen ähnlich trainierter Sportler und untrainierter Personen). Vergleichbare Verteilungen der maximalen Leistungsfähigkeit findet man auch bei Untersuchungen zum Thema Sprungkraft. Abweichungen lassen sich u. a. mit den unterschiedlichen Muskelfaseranteilen erklären.

Ein wichtiger Aspekt ist der grundlegendste Gegensatz zwischen Männern und Frauen: Die Konzentration der Sexualhormone. Frauen unterliegen im Rahmen der Menstruation großen Schwankungen in der Konzentration bestimmter Hormone.

Die verschiedenen weiblichen Sexualhormone wie Gestagene und Progesteron haben Auswirkungen auf das Training, daher ist der Zyklus zu berücksichtigen.

Belastungssteuerung am Zyklus ausrichten

Im Allgemeinen kann es für viele sehr hilfreich sein, die Belastungssteuerung am Zyklus auszurichten. Der Modell-Zyklus ist 28 Tage lang und wird in drei Phasen unterteilt.

  • Erste Zyklushälfte: Reifungsphase der Eibläschen (Follikelphase)
  • Zyklusmitte: Eisprung (Ovulation)
  • Zweite Zyklushälfte: Gelbkörperphase (Lutealphase)

Reifungsphase der Eibläschen (Follikelphase) dauert von Tag eins nach der Menstruation bis etwa Tag 14. In dieser Phase ist der Östrogenspiegel gering und somit dem Mann „ähnlicher“. Währenddessen kann der Muskel vermehrt Energie aus Kohlenhydraten nutzen, was für hohe Intensitäten im Training optimal ist.

Zudem ist in dieser Zeit ein Zuwachs an Muskelmasse besonders effizient möglich. Diese Phase empfiehlt sich für intensive Einheiten, aerob sowie anaerob, und Krafttraining. Dementsprechend sollten in dieser Phase auch mehr Kohlenhydrate zugeführt werden.

Zyklusmitte: Eisprung (Ovulation) – Gelbkörperphase (Lutealphase) Am Ende des Zyklus, etwa von Tag 20 bis Tag 28, sind die Östrogen- und Progesteronspiegel am höchsten. In dieser Phase sollten die Intensitäten eher reduziert werden.

Das wirkungsvollste Hormon, Testosteron hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, ist in unterschiedlichen Konzentrationen bei Frauen vorhanden.

Die Leistungsfähigkeit vieler Frauen ist durch den Menstruationszyklus zum Teil eingeschränkt. Deshalb ist es wichtig, bei der Trainingssteuerung zu berücksichtigen, dass das Leistungstief oftmals unmittelbar vor der Menstruation und das Optimum nach der Periode erreicht werden.

So gehst Du am besten vor – Trainingsmethodische Ansätze

Die Periodisierung und Phaseneinteilung in den Bereichen Hypertrophie (Querschnitt der Muskelfasern vergrößern sich) und Intramuskuläres Krafttraining (Fähigkeit des Muskel-Nervensystems, eine situationsspezifisch geforderte Kraft durch die Steuerung der neuronalen Aktivierung von motorischen Einheiten aufzubringen) zur Entwicklung der Maximalkraft stellt die Grundlage dar. Wie bereits erwähnt ist auf die Muskelquerschnittsvergrößerung ein großes Augenmerk zu legen. Die Erfahrungen aus dem Hochleistungssport Gewichtheben zeigen auf, dass in der IK-Phase die Belastungstoleranz bei den Frauen limitiert ist. Was bedeutet, dass sich die positiven Erfahrungen in der Leistungsausprägungsphase aus dem Männerbereich mit schweren Gewichten nur bedingt auf das Training von Frauen übernehmen lassen. Für Frauen hat sich eine Belastungsgestaltung in der Größenordnung von 3–5 RM (One-Repetition-Maximum) als positiv erwiesen.

Berechnung des 1RM-Wertes

Grundsätzlich wird der Wert über den One-Repetition-Maximum Test, kurz “1RM”-Test definiert. Der 1RM-Wert bezeichnet Dein Maximalgewicht, dass Du maximal in einer Wiederholung ausführen kannst. Aus dem 1RM-Wert lassen sich auch die 3RM-, 5RM-, 8RM-Werte ableiten.

Mit dem 1RM-Wert kannst Du Dein Arbeitsgewicht für verschiedene Trainingsbereiche des Krafttrainings bestimmen.

Maximalkrafttraining wird mit 80% des 1RM durchgeführt. Drückst Du zum Beispiel in einer Wiederholung maximal 60 KG auf der Bank, nimmst Du für unser 5×5 Trainingssystem 48 KG als Arbeitsgewicht.

Hypertrophiebereich wird mit einer Intensität von mindestens 60%-80% durchgeführt.

Kraftausdauer solltest Du auf eine Intensität von 40-60% zurückgreifen.

Die Wiederholungen sollten sich im Bereich von mindestens 15, besser noch 20-25 bewegen.

Besonders dynamische Langhantelübungen aus dem Gewichtheben wie Reißen oder Umsetzen sowie komplexe Langhantelübungen wie Kniebeuge oder Schwungdrücken sollten angewendet werden.

Ein weiterer positiver Aspekt ist die psycho-motivationale Ebene des Satztrainings bei Frauen.

Abschließend kann man festhalten, dass in der Trainingshäufigkeit und Trainingsanwendung beim Krafttraining für Frauen progressiver als im Männertraining geplant werden.