Wie mache ich die tiefe Hocke richtig und was ist zu beachten? Sind meine Sprunggelenke zu „unbeweglich“ oder meine Muskulatur verkürzt? Warum schaffe ich keine tiefe Kniebeuge? Beuge ich mich tendenziell mit dem Oberkörper zu weit nach vorne, statt mich tief zwischen meine Fersen zu setzen? Oder brauche ich ein Gegengewicht, um tiefer in die Kniebeuge gehen zu können?
Ich versuche, all deine Fragen zu richtig ausgeführten Squats zu beantworten. Und dazu bekommst du noch erklärt, welchen Einfluss die Hüfte auf die Kniebeuge hat.
Im Vorfeld schon einmal folgender Hinweis: im Aufbau der Hüfte gibt es anatomische Unterschiede. Diese können sich entsprechend auf die Ausführung der tiefen Hocke auswirken. Der Unterschied bezieht sich allerdings vorrangig auf die Standposition aus. Weniger auf die Tiefe bei einer Kniebeuge.
Bei bestimmten Bewegungen existieren Beweglichkeitseinschränkungen. Doch diese existieren nicht einfach so, sondern werden von deinem zentralen Nervensystem (ZNS) vorgegeben. Entsprechende Befehle vom ZNS an Muskulatur, Faszien und Sehnen etc. entscheiden über deren Spannungs- und Elastizitätszustand.
Das ZNS versucht in erster Linie unsere unmittelbare Sicherheit zu gewährleisten. Diese Sicherheit möchte es möglichst immer genau vorhersehen, egal was in der näheren Zukunft passiert. Informationen aus unserer Innen- und Umwelt wertet das ZNS permanent aus. Alle eingehenden Informationen sind wichtige Voraussetzungen, um die aktuelle Situation zu bewerten und dementsprechend einen qualitativ hochwertigen motorischen Output – hier in unserem Fallbeispiel eine technisch tiefe Kniebeuge – zu ermöglichen.
Die idealen Voraussetzungen schaffen, um eine tiefe Kniebeuge zu erreichen
Wenn keine klaren und guten Informationen eingehen, wird das zentrale Nervensystem Bewegungen und Situationen immerwährend als potenziell gefährlich einstufen und zu Schutzmaßnahmen greifen. Damit werden geschmeidige schmerzfreie Bewegungen verhindert oder unterbunden. Die Folgen sind Beweglichkeitseinschränkungen, Schmerzen, ein hoher Muskeltonus u.v.m.
Nehmen wir hier unser Beispiel, die tiefe Hocke. Was bedeutet das nun konkret, wenn dein ZNS eine bestimmte Tiefe deiner Kniebeuge als potenziell unsicher einstuft? Es wird alles Sicherheitstechnische unternehmen, um dich daran zu hindern, deine gewünschte Position einzunehmen! Was geschieht? Das ZNS wertet während der Ausführung der Kniebeuge nicht nur visuelle und propriozeptive Informationen aus. Eine ganz entscheidende Rolle spielt hier das persönliche Gleichgewicht.
Unser Gleichgewicht ist permanent mit zwei Fragen beschäftigt:
- Wo ist bei mir oben?
- In welche Richtung bewege ich mich gerade?
Unser Gleichgewicht verfügt über verschiedene Sensoren, um diese Fragen zu beantworten. Diese erfassen permanent Rotationen des Kopfes und des Körpers als auch horizontale sowie vertikale Beschleunigungen.
Doch inwieweit spielt das Gleichgewicht eine Rolle für meine tiefe Hocke?
Primär ist die Kniebeuge eine Auf- und Abwärtsbewegung. Grundsätzlich kommt es zu Beweglichkeitseinschränkungen, wenn das Gleichgewicht während dieser Bewegung keine klaren Informationen liefert und daher die Sicherheit der Bewegung nicht gewährleistet ist. Umstürzen und Umfallen ist und war nie ein guter Überlebensplan.
Unser ZNS greift durch verschiedene Gleichgewichtssensoren immer auf die klareren Informationen zurück, da so eine bessere Prognose erstellt werden kann. Somit wird die eigene Sicherheit eher gewährleistet. Liefern die Sensoren für horizontale Bewegungen keine eindeutigen Informationen, die für vertikale Bewegungen hingegen sehr gute, nutzt unser ZNS immer die Informationen, die klarer sind.
Was sieht man in der Praxis? Häufig Kniebeugen, bei denen der Oberkörper nach vorne geneigt wird, anstatt dass die Hüfte dem Boden angenähert wird. So fühlt es sich für die Betroffenen auch an. Klassische Erklärungsansätze sind steife oder zu unbewegliche Hüft-, Knie- und Sprunggelenke. Das sind primär die Gelenke, die die vertikalen Bewegungen der Beine ermöglichen können. Doch das ist ein Irrglaube. Die Gelenke sind nicht unbeweglich, weil sie angeblich eingeschränkt sind, sondern weil das ZNS die Bewegungsform aufgrund unzureichender Gleichgewichtsinformationen einschränkt.
Was müssen wir beachten für eine tiefe Hocke in der Praxis?
Wir stellten fest, dass das Gleichgewicht als höhere neuronale Instanz entscheidend für das Ausführen einer tiefen Kniebeuge ist. Es misst, wie wir während der Bewegung im Raum stehen und sendet immerwährend entsprechende Informationen an das ZNS. Auf dieser Grundlage wiederum entscheidet das ZNS, ob die Bewegung sicher ist oder nicht. Ineffizient ist demnach die reine Symptombehandlung, das Mobilisieren der entsprechenden Gelenke, wie es in der Trainingspraxis häufig zur vermeintlichen Verbesserung der Kniebeuge durchgeführt wird.
Was tun?
Gezielt unser Gleichgewicht trainieren zur Verbesserung der Kniebeuge.
Daher erfordert ein Gleichgewichtstraining immer eine Beschleunigung des Kopfes, da unser Gleichgewichtsorgan im Innenohr sitzt. Dazu erinnere ich an meine vorherigen Blogs.
Wie kann mein Gleichgewichtstraining für meine Kniebeuge aussehen?
Zur Aktivierung der Sensoren, die die vertikalen Beschleunigungen messen, eignen sich kleine und schnelle vertikale Sprünge. Auch ein vertikales Wippen auf den Zehenspitzen, während die Augen ein Ziel fokussieren, ist angebracht. Während der gesamten Übung muss das visuelle Ziel klar und deutlich zu sehen sein. Ergänzend kann die Übung mit dem Kopf in der Seitneigung durchgeführt werden.
Wie auch die vertikalen Sensoren benötigen die horizontalen Sensoren oft zusätzliche Aktivierung. Dies erreichen wir primär durch horizontale Beschleunigungen des Kopfes. Mit schnellen Schritten zur Seite, während die Augen ein Ziel fokussieren und der Kopf dabei nicht rotiert. Wie auch in der vertikalen Aktivierung muss das visuelle Ziel während der gesamten Übung klar und deutlich zu erkennen sein.
Viel Spaß und Erfolg beim neuen Training zum Üben der Kniebeuge!