Coretraining

Core-Training: Bleibe ich beim Mythos oder wie sieht die Wahrheit aus

Core-Training ist in der Trainingswelt ein wichtiges Thema. Ein stabiles Körperzentrum, der „Core“, erhöht insgesamt die Leistungsfähigkeit. Das ist die allgemeine Annahme. Doch was ist darunter zu verstehen? Damit ist die Rumpfmuskulatur gemeint – die Bauch-, Rücken-, Hüft- und Beckenmuskulatur sowie die Wirbelsäulenmuskulatur.

Je stabiler die Rumpfmuskulatur, desto leistungsfähiger sind wir.

Die Kraftübertragung durch den Rumpf findet bei unseren Bewegungen effizienter statt, und zum anderen können unsere Extremitäten mehr Kraft entwickeln. Eine Person wird körperlich also leistungsfähiger sein, die einen stabileren Rumpf als eine Person mit weniger stabilem Rumpf. Eine stabile und trainierte Rumpfmuskulatur ist für die Alltagsbewegung und -beweglichkeit, Training und Sport eine wichtige und gute Sache.

Wird mein Core durch ein gezieltes Rumpfkrafttraining stabiler und stärker?

Die stabile Mitte wird zwar bei Übungen gestärkt, wenn sie bewusst und gezielt trainiert wird. Da der Körper intelligent ist, passt sich allerdings auch immer genau nur das an, was er trainiert. Beispiel: der klassische Ellbogenstütz macht nur im Ellbogenstütz stark. Ein kleiner Anteil an Übertragung hingegen wird marginal der in dieser spezifischen Position trainierten Kraft auf andere Bewegungen wie bspw. Laufen, Springen oder Walken weitergeleitet. Denn: Neuroanatomisch betrachtet ist nur ein sehr kleiner Anteil des Gehirns für die bewusste Core-Aktivierung vorgesehen.

Über den Tractus Corticospinalis, einem von zwei motorischen Faserbahnen, die eine Verbindung vom Gehirn zur Muskulatur darstellt, sind wir in der Lage, Muskeln bewusst anzusteuern und zu aktivieren. Nehmen wir unser Beispiel Ellbogenstütz. Hier lerne ich meinem Körper ausschließlich an, meine Rumpfmuskulatur bewusst über den Tractus Corticospinalis zu aktivieren. Dementsprechend den Rumpf auch bewusst und gezielt zu nutzen.

In der Regel haben wir jedoch keine Kapazität uns während der Bewegung bewusste Gedanken über unsere Core-Aktivierung zu machen, weder im Alltag noch im Sport. Denn die Evolution des Menschen hat automatisch die Stabilisierung unserer Körpermitte primär reflexiv aufgebaut. Überleben war wichtig, darum mussten wir uns vorrangig kümmern, ohne dabei Gedanken an eine aufrechte Haltung oder eine stärkere, stabile Körpermitte verwenden zu müssen.

Die Basis-Core-Stabilisierung erfolgt also reflexiv und unbewusst neuromotorisch.
Durch Bewegung, erfolgt die Core-Aktivierung demnach immer reflexiv und unbewusst – außer wir möchten Teilbereiche des Körpers gesondert trainieren und dabei unsere Core-Muskeln bewusst und gezielt einsetzten wie bei unserem Beispiel.
Im Stammhirn sind für die reflexive neuronale Stabilisierung des Cores verschiedene Bereiche zuständig. Sie werden über folgende Systeme aktiviert:

  • Augen (visuelles System): Sehschärfe
  • Bewusste oder unbewusste Wahrnehmung (peripheres Sehen):
    Das periphere Sehen hat geringere Sehschärfe und liefert optisch leicht verzerrte Seheindrücke.
  • Gleichgewichtsorgan (vestibuläre System): liefert uns Informationen über Verhältnis zur Schwerkraft und unsere Position im Raum.

Wie wichtig ist ein Training des visuellen Systems für den Core-Bereich?

Die Nervenfaserbahn Tractus Tectospinalis aktiviert nach optischen oder akustischen Reizen die kontra- und ipsilaterale Halsmuskulatur. Es folgt eine reflektorische Kopf- und Halsbewegung. Diese ist eine Verbindung vom Stammhirn zur Hals- und Nackenmuskulatur. Immens wichtig für den Core, da eine instabile Kopfposition immer ein instabiles Core zur Folge hat. Ein Training des visuellen Systems ist für einen reflexiv starken Core also unverzichtbar.

Das vestibuläre System (Sinnesorgan: innere Ohr) aktiviert direkt die Nervenfaserbahn Tractus vestibulospinalis und indirekt den Tractus reticulospinalis. Es handelt sich hier um zwei Verbindungen vom Stammhirn zur Nacken- und Rumpfmuskulatur für die reflexive Ausrichtung des Körpers im Verhältnis zur Schwerkraft. Über diese Verbindungen wird die Core-Muskulatur durchgehend aktiviert und hindert uns so am Umfallen.

Diese Systeme mit ihren Verbindungen, halten uns im Bewegungsmodus permanent durch die reflexive Aktivierung der Nacken- und Rumpfmuskulatur aufrecht. Eine Stabilisierungsleistung, die wir uns von einem Core-Training wünschen. Je besser unsere erläuterten Systeme trainiert sind, desto schneller und präziser werden Positions- und Lageveränderungen des Körpers erfasst. Dies wirkt sich wiederum direkt auf unsere Kraft und Stabilität aus.

Fazit

Ein gezieltes Training des Gleichgewichts und der Augen führen zu einer stabileren Körpermitte.

Die reflexive Core-Aktivierung in Bewegung wird verbessert – der eigentlich wichtigen Stabilisierungsleistung für unsere Körpermitte.

Aktiviere dieser zwei Systeme vor einem Kraft- oder Techniktraining und du wirst eine immens positive Auswirkung auf die Trainingsleistung verspüren. Man sollte wissen, dass ein Training des Gleichgewichts immer eine Beschleunigung des Kopfes erfordert, da im Innenohr das Gleichgewichtsorgan sitzt.
Stehen auf instabilen Untergründen oder einem Bein ohne die Kopfbewegungen hat wenig mit Gleichgewichtstraining zu tun. Konkretere Trainingsinhalte für sowohl das visuelle als auch das vestibuläre System werde ich in meinen nachfolgenden Blogbeiträgen erläutern.

Gedanklich sollten wir uns festhalten. Es wird Zeit, den klassischen Ansatz des Core-Trainings grundlegend zu überdenken! Eine bewusste und gezielte Aktivierung der Muskeln, die zum Core zählen, haben nichts mit der reflexiven Stabilisierung des Cores in Bewegung und damit der eigentlich wichtigen Stabilisierungsleistung unserer Körpermitte zu tun. Also brechen wir alte Muster. Freut euch auf die kommenden Beiträge zum Thema.