Die Rolle des zentralen Nervensystems (ZNS) für die Körperhaltung wirst Du im folgenden Blogbeitrag detailliert erfahren. Und dass klassische Trainingsansätze keine wirklichen Verbesserungen bringen. Wir alle kennen viele Menschen, die über Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen aufgrund ihrer „miserablen“ Körperhaltung klagen. Haltungsprobleme führen im Sport meist zu Kompensationsbewegungen, geringerer Leistungsfähigkeit und längerfristig oft zu Verletzungen. Diese Folgen kannst Du vermeiden.
Welche Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung, um die Körperhaltung effektiv zu verbessern?
Der klassische Ansatz zur Verbesserung der Körperhaltung ist das Spannungsverhältnis zwischen Körperrück- und -vorderseite auszugleichen. Das bedeutet: Kräftigung der oberen Rückenmuskulatur, der hinteren Anteile der Schulter und der Nackenmuskulatur, sowie Dehnung oder Mobilisierung der Brustmuskulatur und den vorderen Anteilen der Schultermuskulatur.
Da bei Haltungsproblemen meist ein Missverhältnis von Aktivierung und Spannung zwischen der beschriebenen Muskulatur vorliegt, ist diese Regelung aus struktureller Perspektive nachvollziehbar. Doch entscheidend ist, dass die Muskulatur ihr Tonusmuster nicht selbst wählt, sondern es wird – wie alles andere im Körper auch – vom zentralen Nervensystem gesteuert.
In dieser Situation zu dehnen und zu kräftigen zeigt uns, dass die haltungssteuernden Systeme unbekannt sind. Oder, wenn sie einem bekannt sein sollten, dass sie bewusst ignoriert werden. Leider sind beide Vorgehensweisen keine geeignete Grundlage, um eine effiziente und nachhaltige Verbesserung im Oberkörperbereich zu erzielen. Darum sollte man nicht an den Symptomen eines Problems arbeiten, wenn man unmittelbar an der Ursache ansetzen und diese abstellen könnte.
Hier zur Erinnerung aus meinem Blog „Balancetraining: Der nächste Hype oder fundamental wichtig?“ die wichtigsten neuronalen Steuerungssysteme zur Optimierung der Körperhaltung:
Das visuelle System (Augen)
– aktiviert eine vom Gehirn zur Muskulatur verlaufende Verbindung (Tractus tectospinalis), der die Kopfhaltung reflexiv über die Aktivierung der Hals- und Nackenmuskulatur steuert.
Das vestibuläre System (Gleichgewichtsorgane)
– aktiviert eine weitere vom Gehirn zur Muskulatur verlaufende Verbindung (Tractus vestibulospinalis) der für die reflexive Haltungskontrolle des Oberkörpers und des Nackens verantwortlich ist.
Der Hirnstamm
– u.a. auch durch das visuelle und vestibuläre System aktiviert
– aktiviert und hemmt u.a. reflexiv die Extensoren, also die den Körper aufrichtende Muskulatur.
Wie schaffe ich es die Körperhaltung richtig zu steuern?
Die Steuerung der Körperhaltung erfolgt reflexiv. Somit wird ein aktives Training der Haltungsmuskulatur nicht zur Problemlösung führen, weil dabei die haltungssteuernden Systeme nicht adressiert werden. Somit wird verständlich, dass klassische Trainingsansätze zur nachhaltigen Verbesserung der Oberkörperhaltung nicht beitragen, und sind somit nicht mehr als ein Mythos.
Diese neuroanatomischen Grundlagenkenntnisse gibt es schon länger, werden aber leider in der Praxis kaum eingesetzt. Wahrscheinlich ist das darin begründet, dass sowohl das Erklären zur Haltungsverbesserung als auch des entsprechenden Trainings nicht einfach sind.
Wesentlich einfacher ist es, Kräftigungs- und Dehnübungen zu erklären, als den Zusammenhang zwischen Augen, Körperhaltung und Gleichgewicht – auch, wenn damit niemanden tatsächlich geholfen wird.
Für die Verbesserung der Körperhaltung bieten sich anfänglich Übungen für die Muskulatur der Augen, sowie für die bewusste und unbewusste Sicht Übungen für das Gleichgewicht an.
Übungen für das visuelle System (Augen)
Dazu gibt es eine Reihe von Übungen. Die einfachste Form, die wir alle kennen, ist die Blickstabilisation. Neutrale statische Kopfhaltung, bei der die Augen ein externes Ziel fixieren. Bei der isometrischen Muskelkontraktion, wie in diesem Fall, werden die Muskel mit einer bestimmten Kraft und Spannung aktiviert, der die Augen bewegen und stabilisieren. Als externes Ziel bietet sich hierbei eine Vielzahl von Möglichkeiten an. Finger, Daumen, fester Punkt im Gelände etc. Die Positionen des externen Ziels können sein: mittig in Verlängerung der Nasenspitze, horizontal zur Nasenspitze (rechts/links), vertikal zur Nasenspitze (oben/unten), diagonal oben/unten zur Nasenspitze (rechts/links).
Die dynamische Form. Das Training der augenführenden Muskeln eignen sich mit Blickverfolgungsübungen in neutraler statischer Kopfhaltung, bei denen sich das externe Ziel bewegt. Das externe Ziel kann dabei in verschiedenen Mustern bewegt werden: gerade oder in diagonale Linien – bspw. von oben nach unten oder rechts nach links, Kreisend oder in Spiralform.
Damit diese Übungen für das visuelle System im Sinne einer Regression oder Progression variieren, bieten sich verschiedene Körperpositionen an. Anmerkung: Liegend sind die Übungen einfacher als im Sitzen, im Stand oder im Gang auszuführen. Und es ist stets auf eine lange neutrale Wirbelsäule zu achten, unabhängig von der Körperposition.
Übungen für das bewusste und unbewusste Wahrnehmen
Die periphere Sicht lässt sich am einfachsten trainieren, indem mit den Augen ein Punkt fixiert und dabei versucht wird, Bewegungen oder Elemente in den Bereichen des Gesichtsfeldes, die nicht auf die zentrale Stelle der Netzhaut, abgebildet werden zu erkennen. Als einfache Übung bietet sich bspw. an, beide Arme mittig auf Höhe der Nasenspitze auszustrecken. Diese nun langsam auf der horizontalen Ebene nach außen mit stets bewegenden Zeige-Mittelfinger zu führen, während der Blick auf einem Punkt geradeaus fixiert bleibt. Dabei sollten die Fingerbewegungen im peripheren Sichtfeld auf der Horizontalen bis zu 180°-200° sichtbar sein. Diese Übung ist mit Bewegungen durch den Raum als Steigerung kombinierbar.
Bei den von mir angegebenen Übungsmustern sollte bei ständig wiederkehrendem Training auf lange Sicht versucht werden, jede Bewegung/Position länger als 30 Sekunden ohne Stress durchführbar sein. Anfänglich reichen auch erst einmal nur wenige Sekunden.
Stressanzeichen in den Augen oder im Gesicht sollten dabei möglichst vermieden werden. Wie äußert sich das?
• Augenlieder fangen an zu zucken
• die Augen tränen
• das Gesicht verkrampft
Dann ist das Training zu intensiv.
Das externe Ziel muss klar und deutlich während der gesamten Übung gesehen werden. Wird das Ziel unklar, sollte das zu trainierende Element über eine Veränderung der Körperposition vereinfacht und geprüft werden, damit das Ziel wieder klar zu sehen ist.
Übungen für das Training zum Gleichgewichtssinn
Was erfordert Training zum Gleichgewichtssinn? Da unsere Gleichgewichtsorgane im Innenohr sitzen: dynamische Kopfbewegungen. Gleichgewichtstraining hat nichts mit Training auf wackeligen Untergründen zu tun.
Folgende Übungen bieten sich hier an:
– Kopfnicken
– seitliches Kopfschieben
– Vor- und Zurückschieben des Kopfes
– Seitneigungen des Kopfes
– Kopfrotationen – bspw. von links nach rechts
– Kopfrotation – bspw. von diagonal oben links nach diagonal unten rechts
Alle diese Bewegungen können in den Positionen Sitzen, Stehen, Gehen sowie im Laufen ausgeführt werden. Zu keinem Zeitpunkt dürfen Schwindel oder Übelkeit auftreten. Das ist wichtig! Das Training des Gleichgewichts sollte vorrangig stets in einer sicheren Umgebung stattfinden, in der kein Verletzungspotenzial besteht.
Je nach persönlicher individueller Fähigkeit kann man die Übungen auch variieren. Da ist der persönlichen Kreativität keine Grenze gesetzt. Wird eine Übung als zu anspruchsvoll empfunden (Signal: Schwindel/Übelkeit), empfiehlt es sich die Übungen im Sitzen durchzuführen.
Übungen für das visuelle System und Gleichgewichtssinn
Augen und Gleichgewichtssinn lassen sich perfekt im Zusammenspiel trainieren. Eine Kombination von Kopfbewegung und Blickstabilisation. Das ausgesuchte externe Ziel wird mit den Augen fixiert, während sich der Kopf dynamisch bewegt, wie oben beschrieben. Zielsetzung: Muss stets deutlich zu sehen sein und auf Anzeichen von Stress im Gesicht und möglicherweise Übelkeit/Schwindel ist zu achten!
In jedem körperlichen Training ist die Qualität der Übungsausführung und nicht die Quantität für eine Verbesserung grundlegend. Man benötigt auch hier Kontinuität, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen. Ein gewisses Trainingsvolumen sowie ein progressives Steigern der Trainingsintensität sind zu beachten, sonst stagniert man. Eine Trainingsteilung in bspw. 4 bis 6 x 5 Minuten über den Tag verteilt wäre dabei sinnvoll und das tägliche Trainingsvolumen sollte insgesamt 20-30 Minuten umfassen.
Ich wünsche Dir viel Erfolg beim zielorientierten Training!